Die Schweizer/innen wollen nachhaltiger konsumieren, Rohstoffe werden knapper und teurer, Unternehmen und Gemeinden setzen sich ambitionierte Klimaziele. Die EU geht in Sachen Kreislaufwirtschaft und Verpackungs-regulierung voran, was Auswirkungen auf das exportierende Gewerbe und die Entwicklungen in der Schweiz hat. Mehrweg ist das Gebot der Stunde.
Ökosystem Mehrweg
Das hat auch bei vielen Schweizer Unternehmen Interesse geweckt. Die Umstellung eines Einweg- auf ein Mehrwegsystem ist aber nicht einfach. Es braucht die Zusammenarbeit verschiedener Akteur/innen, um ein funktionierendes Mehrweg-System aufzubauen. Deswegen waren bei der zweisprachigen Veranstaltung auch Vertreter/innen mit unterschiedlichen Interessen und Kompetenzen vor Ort:
- Produzent/innen, die Ihre Getränke in Mehrweg abfüllen wollen
- Maschinen-, Harassen- und Etiketten-Hersteller, die Produkte und Dienstleistungen für ein Mehrweg-System anbieten
- der Detailhandel, der Logistik und Lagerraum zur Verfügung stellen kann
- Vertreter/innen der öffentlichen Verwaltung, die bei der Umstellung u.a. durch ein angepasstes Abfallmanagement oder Fördermassnahmen helfen können
- Verbände und NGOs als wertvolle Kenner/innen der Branche und Multiplikator/innen
- renommierte Wissenschaftler/innen mit den neusten Daten und Fakten
Referentinnen und Referenten aus dem Ausland berichteten von den Entwicklungen in ihren Ländern und ihren Erfahrungen. Ausserdem gaben Schweizer Mehrweg-Pioniere Einblicke in ihre Erfolgskonzepte.
Lösungen finden
Am Nachmittag wurde in Workshops an konkreten Lösungen gearbeitet: Wie können Herausforderungen (z. B. die Rückgabe der Flaschen) technisch gelöst werden. Welche Rahmenbedingungen könnten helfen (z. B. Zielvorgaben, Förderinstrumente, Regulierungen) und wie spricht man die Kundschaft an, um sie mit ins Boot zu holen?
Am Ende diskutierten Pioniere im Mehrweg-Bereich mit den Teilnehmenden über Synergien:
- Alexandre Fricker (Geschäftsführer, Opaline): «Mehrweg ist für uns eine Notwendigkeit, um die ambitionierten Klimaziele erreichen zu können.»
- Aline Trede (Co-Präsidentin, Der Gewerbeverein): «Sprechen Sie mit einer geeinten Stimme zur Politik, dann können Sie etwas bewegen.»
- Matthias Huber (Geschäftsführer, Kooky): «Mehrweg setzt sich durch, wenn es einfach und praktisch ist.»
- Jeannette Morath (CEO & Founder, reCIRCLE): «Wir müssen den Verstand und das Herz ansprechen sowie den Weg ebnen.»
Mehrweg: ökonomisch und ökologisch sinnvoll
Mehrweg aus Glas macht aus vielen Gründen Sinn: Organisiert in einem regionalen Umfeld ist es die nachhaltigste Verpackung und fördert gleichzeitig lokale Wirtschaft. Mehrweg spart aber nicht nur Energie und damit CO², sondern auch Ressourcen. Es macht die Schweiz unabhängiger vom Ausland und ist angesichts des steigenden Glaspreises zunehmend günstiger.
Mehrweg mit Glas: Plastik vermeiden
Die Schweiz hat ein riesiges Plastikproblem. Pro Kopf werden im Jahr 127 Kilo verbraucht – so viel wie kein anderes Land in Europa. Mehrweg mit Glas vermeidet Plastik – jenseits aller Ökobilanzen.
Plastik besteht aus Erdöl, ist nicht zu 100 Prozent recyclierbar und sorgt in Form von Mikroplastik für die Verschmutzung unseres Bodens, unseres Wassers, unserer Luft und unseres Körpers. Da hilft auch eine hohe Sammelquote nicht. Jedes Jahr gelangt in der Schweiz tonnenweise Plastik in die Natur.
Mehrweg: besser als Recycling
Mehrweg hilft der Schweiz zudem kreislauffähiger zu werden, denn die Wiederverwendung ist eine zentrale Strategie der Kreislaufwirtschaft. Macht es mehr Sinn, eine Flasche in der Region zu waschen und wieder zu befüllen oder sie erst zu zerstören, zu transportieren, um sie dann energieintensiv einzuschmelzen, neues Material hinzuzufügen, sie neu zu produzieren, um sie anschliessend auszuliefern? Nein. Das braucht viel mehr Energie, kostet und ist für hohe CO²-Emissionen verantwortlich. Mehrweg kann Produzent/innen und der öffentlichen Hand deswegen auch dabei helfen, Klima- und Kreislaufziele zu erreichen.
Mehrweg: die nachhaltige Verpackung
Hinzu kommt, dass die Kunden und Kundinnen zunehmend nachhaltiger konsumieren wollen. Da spielt auch die Verpackung eine grosse Rolle. Laut einer Auswertung von Statista steht der Generation Z weniger Geld zur Verfügung, sie sind aber trotzdem bereit dafür, mehr für nachhaltiges Essen und Trinken zu zahlen.
Mehrweg: Hintergrund EU
In Europa wird bereits vorwärts gemacht: Eine neue Richtlinie über Verpackungsabfälle ist in Vorbereitung. Sie enthält auch Bestimmungen für Getränkeverpackungen. Österreich will bis 2030 eine Mehrweg-Quote von 30 Prozent und Frankreich bis 2027 eine von 10 Prozent erreichen.
Zitate:
- Aline Trede, Der Gewerbeverei: «Mehrweg-Lösungen werden zur Selbstverständlichkeit für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen»
- Lena Frank, directrice des travaux publics, de l’énergie et de l’environnement, Ville de Bienne: « La réutilisation et la construction circulaire sont des éléments importants pour la Ville de Bienne pour atteindre ses objectifs climatiques. »
- Sara Hesseling, Emmi Group: «Mehrweg-Glas im grossen Detailhandel funktioniert»
- Dunia Brunner, Dr. en droit UNIL: « Pourquoi jeter lorsqu’on peut réutiliser.»
- Melanie Haupt, ETH Zürich: «Mehrweg kann ein Schlüssel zu nachhaltiger Kreislaufwirtschaft sein.»
- Matthias Huber, Kooky: «Mehrweg wird sich durchsetzen, wenn es so einfach und bequem ist wie Einweg»
- Alexandre Fricker, Opaline : « Réutiliser nos bouteilles – une nécessité pour atteindre l'objectif ambitieux du NETZERO 2030
- Hervé Le Pezennec, Réseau Consignes : « La réutilisation fonctionne aussi en Suisse !
- Dr. Markus Grumann, Mehrweg-Experte Deutschland: «Der Trend zu Mehrweg in Europa ist nicht zu übersehen»
- Reto Engler, Brasserie Docteur Gab’s: « Ça vaut la peine d’investir dans la réutilisation ! »
- Werner Bender, Vorstand der Wein-Mehrweg eG Deutschland: «Mehrwert durch Mehrweg – auch bei Wein»
Das Mehrweg-Event wurde von Au REverre organisiert, einem Projekt des Think- and Do-Tanks sanu durabilitas. Dieser setzt sich für eine nachhaltige Schweiz ein. Neben Kreislaufwirtschaft engagiert er sich auch für Bodennutzung. sanu durabilitas bringt Theorie in die Praxis, findet Lösungen und testet diese. Anschliessend wertet er die gemachten Erfahrungen aus, um Empfehlungen für Entscheidungsträger/innen zu formulieren. Das Projekt «Au REverre» wird unterstützt von der Minerva-Stiftung.
Das Event wurde finanziell unterstützt von Vetropack, Stöckli, Wiegand-Glas, der Gehrig Group und der Stadt Biel. Es ist Teil der mehrjährigen «Circular Economy Ecosystem Session» und wurde in diesem Rahmen unterstützt von Innosuisse.