WINFRIED MÜHLING- ist Director Marketing and Communication bei Pro Carton www.procarton.com

Der Schlüssel zur Verwirklichung der Kreislaufwirtschaft ist der Verbraucher

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In der aktuellen Diskussion um unterschiedliche Verpackungslösungen, Einweg- und Mehrwegverpackungen, geht mir eine entscheidende Dimension verloren: Der Verbraucher.

Das Engagement der Verbraucher spielt eine wesentliche Rolle, daher werden politische Massnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft am wirksamsten sein, wenn sie die prägenden Faktoren für das Konsumentenverhalten berücksichtigen und die Anforderungen des Konsumenten respektieren. Verbraucher wollen «das Richtige » tun, Gesetzgeber und Unternehmen müssen zunächst aber die Rahmenbedingungen dafür schaffen.
Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) haben wir gesehen, wie sich diese Dynamik entwickelt hat. Die Ziele des Vorschlags, der sich auf die Einführung von Mehrwegverpackungen konzentriert, sind gut gemeint. Es gibt gute Argumente für Mehrwegverpackungen als Motor der Kreislaufwirtschaft, aber das Gesamtbild ist deutlich komplexer.
Ein neuer Bericht von McKinsey mit dem Titel «Die potenziellen Auswirkungen von Mehrwegverpackungen» hat festgestellt, dass die Einführung strenger Zielvorgaben für Mehrwegverpackungen bis 2030 den ökologischen Fussabdruck der EU und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stark beeinträchtigen wird und vor allem die Frage aufwirft, inwieweit sich die Verbraucher daran halten werden.
Wie bei jedem Modell der Kreislaufwirtschaft ist die Akzeptanz der Verbraucher von zentraler Bedeutung. Wenn man sich nur für das Mehrwegmodell einsetzt, besteht jedoch die Gefahr, dass die Verbraucher reagieren werden. Und dies aus gutem Grund: Erstens wird von ihnen eine Änderung ihrer Gewohnheiten verlangt. In Deutschland zum Beispiel haben Fast-Food-Restaurants wie McDonald’s und Burger King Pfandsysteme für wiederverwendbare Verpackungen – auch für den «take-out»-Konsum – eingerichtet. Diese verlangen von den Verbrauchern, wiederverwendbare Verpackungen zu lagern, bestenfalls zu spülen und im Restaurant zurückzugeben, um ihr Pfand einzulösen. Die Akzeptanz bisher – verhalten.
Zweitens könnte das zusätzliche Pfand die Verbraucher abschrecken, weil es den Preis für ein günstiges Essen in die Höhe treibt. Bei einer Familie kommen hier schon einmal Pfandbeträge von mehr als 10 Euro zusammen. Drittens schafft dies Unsicherheit in Bezug auf die Lebensmittelhygiene – ein nicht verhandelbares Kriterium. Können die Verbraucher darauf vertrauen, dass ihre wiederverwendbaren Verpackungen wirksam gewaschen werden, auch die, die nach tagelanger Lagerung zu Hause oder im Auto ungereinigt zurückgegeben wurden?
Die Verbraucher wollen auch die Gewissheit haben, dass neue Massnahmen langfristig tatsächlich besser für die Umwelt und wirtschaftlich tragfähig sind. Der Bericht von McKinsey deutet jedoch darauf hin, dass dies beim Mehrwegmodell nicht der Fall ist. Er prognostiziert einen Anstieg der CO₂-Emissionen um 140 bis 160 Prozent und potenzielle Kostensteigerungen von 80 bis 130 Prozent, die hauptsächlich auf Transport und Reinigung zurückzuführen sind.
Eine ähnliche Untersuchung wurde auch für den Einsatz von E-Commerce-Verpackungen vorgenommen. Auch hier ergab die Studie erhöhten CO₂-Ausstoss sowie deutlich höhere Kosten in der Umsetzung eines Mehrwegsystems.
In Wahrheit gibt es viele Hinweise darauf, dass umweltfreundliche Einwegsysteme die Herzen und Köpfe der Verbraucher erobert haben. In unserer Konsumentenstudie vom November 2022 haben wir die Einstellung von über 5000 europäischen Verbrauchern zu Umwelt und Verpackung untersucht. Mit dem Ergebnis, dass die beiden wichtigsten Kriterien für Verpackungen «leicht zu recyceln» (85 Prozent) und «aus erneuerbaren Materialien hergestellt» (81 Prozent) waren. Beide Kriterien werden durch Karton vollkommen getroffen.
Dies würde erklären, warum die Verbraucher Karton mit 86 Prozent (nach 81 Prozent im Jahr 2019) gegenüber Kunststoff bevorzugen. Das ökonomisch und ökologisch ausgewogene Verpackungsmedium weist eine beeindruckende Recyclingquote von 82 Prozent auf. Der Kartonindustrie ist es auch gelungen, den CO₂-Ausstoss (cradle-tograve) zwischen 2018 und 2021 um 24 Prozent zu reduzieren. Es besteht ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis in das Sammel- und Recyclingsystem von Karton, welches Verbraucher in Europa durch Sortieren und Recyceln honorieren. Zusammen mit seiner Herkunft aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern untermauert es seine Position als führendes Kreislaufmaterial und als das in den Augen der Verbraucher bevorzugte Verpackungsmaterial. Die Studie zeigt auch, dass die Verbraucher den Herstellern von Verpackungsmaterial und den Markeninhabern ein hohes Mass an Vertrauen entgegenbringen, wenn es darum geht, eine Zukunft mit kreislauffähigen Verpackungslösungen zu sichern. 92 Prozent der Verbraucher in Europa sehen die Verantwortung bei den Verpackungslieferanten und Markeninhabern, und nur 8 Prozent beim Gesetzgeber. Es besteht ein grosses Vertrauen in die unternehmerische Leistungsfähigkeit, nachhaltige Lösungen zu schaffen. Der Zwang zu einem obligatorischen Wiederverwendungssystem untergräbt die Fähigkeit der Beteiligten, den Weg zur Kreislaufwirtschaft innovativ zu gestalten und verbleibende Herausforderungen im Recycling nachhaltig und flächendeckend zu lösen.
Professionell erstellte Lebenszyklus-Analysen weisen den Weg für den besten Einsatz von Verpackungen. Wir müssen dann die Unternehmen objektiv an ihren Entscheidungen messen. Diese kennen die Belange der Verbraucher und die Umweltauswirkungen der gewählten Verpackungslösungen.
Der Weg einer gesetzlich festgelegten Lösung wird nicht das Gesamtoptimum erbringen. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen und Gebrauchsgewohnheiten.
Nachweisbar recycelte Einwegverpackungen werden neben dem Mehrwegsystem eine entscheidende Rolle spielen. Komplementär, nicht exklusiv. Die Gesetzgeber tun gut daran, dies anzuerkennen.

In dieser Rubrik äussern Vertreter aus der Verpackungswirtschaft und den Branchenverbänden ihre Meinung zu aktuellen Themen.