Nachhaltigkeit ist im Verpackungssektor längst ein Schlüsselthema. Doch für Lebensmittelindustrie und Verbraucher bleibt es schwierig zu beurteilen, welche Verpackungen tatsächlich nachhaltig sind. Während die Politik mehr Recycling fordert und neue Materialien entwickelt, bleibt der Schutz des Lebensmittels zentral. Verpackungen sichern Qualität, Haltbarkeit – und reduzieren Food Waste. Bisherige Labels und Tools konzentrieren sich jedoch meist nur auf einzelne Aspekte wie Material der Recyclingfähigkeit. Der Einfluss auf Haltbarkeit, Lebensmittelausschüsse oder logistische Prozesse wird dagegen selten berücksichtigt.
Pack An schliesst die Lücke
Hier setzt das Forschungsprojekt Pack An an. Seit Ende 2022 entwickelt die Hochschule Geisenheim mit Partnern aus Wissenschaft, Zertifizierung, Medien und Industrie eine digitale Plattform, die Nachhaltigkeit umfassend bewertet – unter Einbezug von Verpackung, Lebensmittel und Supply Chain. Ziel ist, Unternehmen und Konsumenten verlässliche Informationen zu liefern. Auch Verbände, Logistikunternehmen und Akteure der Kreislaufwirtschaft sind in den Entwicklungsprozess eingebunden, sodass die Lösung später breit nutzbar ist.
Bewertungssystem mit drei Säulen
Das Herzstück von Pack An ist ein Bewertungs- Tool, das auf standardisierten Fragebögen basiert und drei Kategorien gewichtet:
❱ Verpackung: Rohstoffe, Materialeigenschaften, Recycling, Produktschutz, Informationsgehalt, Verpackungsdesign (z. B. Restentleerbarkeit oder Wiederverschliessbarkeit)
❱ Lebensmittel: Produktion, Verarbeitung, Saisonalität, Regionalität
❱ Lieferkette: Transport, Lagerung und Food Waste.
Die Antworten werden auf einer Skala von 1 bis 10 bewertet und in einem Gesamtscore zusammengeführt. Ergänzend werden CO₂-Emissionen für Produktion, Verpackung und Logistik berechnet und integriert. So entsteht ein Bild, das sowohl Materialeinsatz und Kreislaufpotenzial als auch Funktionalität und Klimaauswirkungen berücksichtigt.
Plattform und Wissenstransfer
Die Ergebnisse sind in der Online-Plattform abrufbar. Unternehmen können ihre Produkte registrieren und bewerten lassen. Das System stellt ihnen spezifische Fragen zum Produkt, zur Verpackung und zur Lieferkette und berechnet daraus eine Gesamtnote sowie Detailwerte für jede Kategorie. Verbraucher finden Informationen über die Webanwendung per Suche oder Barcode-Scan. Neben Nachhaltigkeitsscores bietet ein «Wissenshub» Hintergrundwissen, Erklärvideos und Kurzfilme aus Sicht unterschiedlicher Akteure zu Themen wie Food Waste, Recycling oder der Rolle der Verpackung zur Reduzierung von Ausschüssen. Eine Kommentarfunktion ermöglicht Feedback zu einzelnen Produkten. Weiterhin wurde das Bewertungstool in einen Prototypen von einem Zertifizierungsstandard integriert, um langfristig eine einheitliche und überprüfbare Nachhaltigkeitsbewertung zu gewährleisten.
Mehrwert für Praxis und Gesellschaft
Für Unternehmen bietet Pack An ein Werkzeug, um Verpackungen gezielt zu verbessern, Optimierungspotenziale aufzudecken und nachhaltige Lösungen nachzuweisen. Hersteller können ihre Ergebnisse veröffentlichen und so gegenüber Handel und Verbrauchern Transparenz schaffen. Für Konsumenten erleichtert die Plattform bewusste Kaufentscheidungen und macht Unterschiede zwischen Verpackungen sichtbar. Zugleich stärkt Pack An die Kreislaufwirtschaft, indem es Nachhaltigkeitsaspekte entlang der Wertschöpfungskette sichtbar macht. Das Projekt schliesst damit eine Lücke zwischen den politischen Vorgaben, den Anforderungen der Industrie und dem Informationsbedürfnis der Konsumenten.
Pack An live vorgestellt
Dr. Namrata Pathak, Postdoktorandin an der Hochschule Geisenheim am Institut für Frischproduktlogistik, präsentierte die Plattform Pack An am 25. September 2025 auf der Fachpack in Nürnberg einem grossen Fachpublikum. Im nachfolgenden Interview erläutert sie, wie das digitale Tool Unternehmen und Verbraucher bei der Bewertung nachhaltiger Verpackungen unterstützen kann.
Frau Dr. Pathak, welche typischen Fragestellungen aus der Industrie beantwortet Pack An heute schon?
Pack An unterstützt Unternehmen dabei, zu bewerten, wie nachhaltig ihr gesamtes Produkt tatsächlich ist – nicht nur die Verpackung. Ein Betrieb kann zwar eine nachhaltige Verpackung einsetzen, aber wenn Lebensmittel entsorgt werden müssen, weil dieses Verpackungsmaterial nicht geeignet ist und die Haltbarkeit verkürzt, ist das Gesamtprodukt dennoch nicht nachhaltig. Unsere Plattform berücksichtigt den gesamten Lebenszyklus – also Verpackung, Lebensmittel und Lieferkette – und zeigt, wo die grössten Umweltbelastungen entstehen und wo Verbesserungen möglich sind.
Gibt es Beispiele, wie Pack An in der Praxis helfen kann?
Das Tool kann etwa aufzeigen, dass eine Verpackung perfekt recycelbar ist, das Produkt aber aufgrund des Transports dennoch eine schlechte Ökobilanz hat – oder umgekehrt. Ebenso erkennt es Überverpackungen: Manche Produkte haben zehn Lagen oder aufwendige Druckverfahren, nur um optisch ansprechender zu wirken. Ziel ist es, Bewusstsein zu schaffen und Unternehmen wie Konsumentinnen und Konsumenten eine realistische Gesamteinschätzung des ökologischen Fussabdrucks zu ermöglichen.
Wie stellen Sie sicher, dass die Ergebnisse für die Nutzerinnen und Nutzer verständlich und transparent bleiben?
Transparenz ist ein zentrales Element von Pack An. Auf der Plattform gibt es einen sogenannten «Wissenshub», in dem die Bewertungsmethoden und Algorithmen einfach erklärt werden. Ergänzend stellen wir kurze Lernvideos bereit, die komplexe Themen zugänglich machen – etwa, wie sich Lebensmittelverschwendung auf die Umweltbilanz auswirkt. Alle Bewertungen, denen Unternehmen zustimmen, werden öffentlich sichtbar. So können Produkte direkt miteinander verglichen werden.
Welche Rolle spielt die geplante Zertifizierung für die Akzeptanz am Markt?
Eine Zertifizierung würde Unternehmen einen klaren Anreiz bieten, Pack An zu nutzen. Sie schafft einen verlässlichen Standard, den Konsumentinnen und Konsumenten auf einen Blick erkennen können – ähnlich wie der «Nutri- Score» für Nährwerte oder der französische «Eco-Score» für Nachhaltigkeit. Ein einfaches Bewertungssystem oder ein Label macht die Nachhaltigkeit klar und nachvollziehbar sichtbar. Entscheidend ist, dass die zugrunde liegenden Kriterien transparent und wissenschaftlich fundiert sind.
Das Projekt endet im November 2025. Wie geht es danach weiter?
Pack An bleibt als funktionsfähiger Prototyp vorerst online. Für eine Weiterentwicklung braucht es jedoch neue Fördermittel oder Partner aus der Industrie. Ideal wäre eine Zusammenarbeit mit bestehenden Initiativen oder Unternehmen, die Interesse haben, sich an der Weiterführung zu beteiligen. Unsere Vision ist, eine niederschwellige Einstiegslösung anzubieten – ein Werkzeug, das Unternehmen und Verbrauchern hilft, den Weg in Richtung Nachhaltigkeit zu beginnen.