Im Herbst 2024 angekündigt, im August 2025 nach intensiven Testläufen in Betrieb genommen und am 13. September 2025 im Rahmen des traditionellen Hopfenzupferfests offiziell eingeweiht: Die neue Dosenabfüllanlage der Brauerei Schützengarten in St. Gallen gilt als grösste Investition der letzten zehn Jahre. Mit der modernen Linie von Krones reduziert die älteste Brauerei der Schweiz ihren Logistikaufwand erheblich, steigert die Qualität und gewinnt an Flexibilität im Sortiment.
Verpackungs-Industrie: Herr Preisig, Herr Reinart, die Brauerei Schützengarten ist die älteste der Schweiz und gleichzeitig sehr innovativ. Wie gelingt Ihnen dieser Spagat zwischen Tradition und Moderne?
Reto Preisig (RP): Unsere Brauerei verbindet ihre bald 250-jährige Tradition mit heutiger Innovationskultur, indem wir bewährte, traditionelle Braukunst mit modernen Technologien und nachhaltigen Produktionsmethoden kombinieren. Wir pflegen ursprüngliche Rezepturen, entwickeln aber gleichzeitig auch neue Biersorten, die den Geschmackstrends des Marktes entsprechen. Tradition und Innovation sind für uns kein Widerspruch, sondern ein starkes Duo – es erlaubt uns, mit Stolz auf unsere Geschichte zu blicken und mit Experimentierfreude in die Zukunft zu gehen.
Die neue Dosenabfüllanlage gilt als grösste Investition der letzten zehn Jahre. Was waren die wichtigsten Gründe für diesen Schritt?
RP: An erster Stelle stand für uns die Qualität. Bisher mussten wir unser Bier per Tankwagen nach Schaffhausen bringen, wo es bei einer Partnerbrauerei in Dosen abgefüllt wurde. Diese Transporte bedeuteten nicht nur einen erheblichen logistischen Aufwand, sondern auch eine zusätzliche Belastung für das Bier. Mit der eigenen Abfüllung hier in St. Gallen können wir die gesamte Prozesskette abbilden und höchste Frische und Qualität sicherstellen. Gleichzeitig steigt der Anteil der Dosen seit Jahren, besonders im Detailhandel, sodass wir auch auf veränderte Marktbedürfnisse flexibler reagieren können.
Welche technischen Besonderheiten bringt die Anlage mit sich – insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit und Effizienz?
Richard Reinart (RR): Die Linie ist optimal an unsere Gegebenheiten angepasst und hygienisch auf dem neusten Stand. Wir arbeiten mit sehr energieeffizienten Maschinen, die Ressourcen schonen. Herzstück ist der mehrzonige Tunnelpasteur, der mit Rückgewinnungssystemen für Energie und Wasser ausgestattet ist. Dazu kommt ein Bypass, mit dem wir künftig auch Biere ohne Pasteurisierung abfüllen können – beispielsweise Sorten mit höherem Alkoholgehalt. Aus Platzgründen mussten wir die Linie über vier Ebenen hinweg installieren und die Verpackungsstrecke oberhalb der bestehenden Flaschenabfüllung einbauen. Diese Integration war eine planerische Herausforderung, zeigt aber, wie flexibel man vorhandene Bausubstanz nutzen kann.
Wie hat sich dieser komplexe Bauprozess auf die Projektarbeit ausgewirkt?
RR: Platz war tatsächlich der entscheidende Faktor. Wir konnten weder in die Breite noch in die Tiefe erweitern, da wir mitten in der Stadt sitzen. Deshalb mussten wir die Anlage über mehrere Stockwerke staffeln und mit Passerellen und vertikalen Fördersystemen verbinden. Eine Arena- Anlage auf einer Ebene wäre technisch einfacher gewesen, war hier aber unmöglich. Umso mehr sind wir stolz, dass wir gemeinsam mit Krones und unserem Projektteam eine so effiziente Lösung gefunden haben.
Welche Bedeutung hat die eigene Dosenabfüllung für Ihre Wettbewerbsfähigkeit?
RP: Sie ist ein zentraler Faktor für unsere Unabhängigkeit. Je flexibler wir sind, desto besser können wir uns im Markt behaupten. Wir können jetzt schneller auf Nachfrageschwankungen reagieren, neue Produkte selbstständig abfüllen und haben die Qualität vollständig in der Hand. Auch Limited Editions oder saisonale Produkte lassen sich unkomplizierter umsetzen.
Herr Reinart, welche Erfahrungen haben Sie bislang im laufenden Betrieb gesammelt?
RR: Die Anlage läuft seit August 2025. Natürlich gibt es noch kleine Optimierungen, wie bei jeder neuen Technik, aber die Performance ist sehr gut. Wir erreichen mit Halbliterdosen bis zu 16 000 Stück pro Stunde, bei 0,33-Liter-Dosen sogar rund 18 000 Stück. Auch die Qualitätssicherungssysteme – Füllstandmessung, CO₂-Gehalt, Dichtheitsprüfung – haben sich bewährt. Bald kommt noch ein kleines Labor direkt in die Abfüllhalle, sodass wir Analysen vor Ort durchführen können.
Die Dose rückt mit der neuen Anlage stärker in den Fokus. Wie bewerten Sie deren Rolle im Vergleich zur Flasche?
RP: Mehrwegglas und Fassbier schonen die Ressourcen am meisten und haben nach wie vor ihren festen Platz. Die Dose hat aber in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen – insbesondere im Detailhandel. Sie ist leicht, praktisch und wird sehr gut recycelt. In der Gastronomie spielt sie eine kleinere Rolle, bei vielen Events ist sie aus Sicherheitsgründen sogar verboten. Aber im Einzelhandel wächst der Anteil stetig. Unsere Kundinnen und Kunden freuen sich auf die grössere Auswahl aus unserer Brauerei.
Inwiefern verändert die Dose auch die Nachhaltigkeitsbilanz?
RR: Der grösste Vorteil ist der Wegfall der Transporte nach Schaffhausen. Das reduziert Emissionen und Energieverbrauch erheblich. Zudem führen wir defekte Dosen direkt hier im Betrieb dem Recycling zu. Verpackungsseitig bieten wir verschiedene Tray- und Folienlösungen an, die flexibel an neue Marktbedürfnisse angepasst werden können.
Welche Trends beobachten Sie aktuell im Bereich Bierverpackungen – national und international?
RP: Die Tendenz geht zu kleineren Behältern und Gebinden. Gleichzeitig erlebt das klassische Lagerbier wieder eine Renaissance. Wir sehen auch, dass digitale Features wie QR-Codes zunehmend an Bedeutung gewinnen – sowohl für Marketing als auch für Transparenz gegenüber den Konsumenten.
Welche weiteren Innovationsschritte sind geplant?
RR: Die Technik entwickelt sich laufend. Stillstand ist Rückschritt – deshalb investieren wir kontinuierlich. Nach der Dosenabfüllung werden weitere Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen folgen, sowohl in der Produktion als auch in der Logistik. Nachhaltigkeit bleibt ein wichtiger Treiber: In der Feinverteilung setzen wir zunehmend auf Elektrofahrzeuge, die wir mit Strom aus unserem eigenen Wasserkraftwerk und unserer Photovoltaikanlage betreiben.
Herr Preisig, zum Schluss ein persönlicher Blick: Welche Verbindung haben Sie selbst zur Dose?
RP: Für mich ist die Dose ein praktisches, zeitgemässes Gebinde, das unser Sortiment ergänzt. Privat trinke ich im Sommer am liebsten ein kühles Lager hell beim Grillen. Wichtiger als das Gebinde bleiben für mich aber die Qualität und Vielfalt unseres Bieres.
Herr Reinart, was bedeutet Ihnen persönlich das Projekt Dosenabfüllanlage?
RR: Für mich ist es ein Meilenstein meiner Arbeit hier bei Schützengarten. Die planerischen und technischen Herausforderungen waren gross, umso schöner ist es, das Resultat nun in Betrieb zu sehen. Ich geniesse es, mit einem Team zu arbeiten, das gemeinsam solche Projekte stemmen kann – und freue mich jedes Mal, wenn ich eine frisch abgefüllte Dose in der Hand halte.