Gehärtetes Glas ist keine Neuheit. Das thermische Vorspannen von Glas reduziert Bruchempfindlichkeit und Verletzungsgefahr erheblich. Nicht zuletzt deshalb findet man thermisch gehärtetes Glas seit vielen Jahren am häufigsten in Autoscheiben, wo es sich manchmal als lebensrettend erweist. Bei Glasverpackungen stiess das Verfahren allerdings bisher an Grenzen.
Die kontrollierte thermische Behandlung eines Glasbehälters erfolgt durch rasches Aufheizen und Abkühlen. Das Glas wird zunächst homogen, also über den Querschnitt konstant, auf eine Temperatur zwischen 600 und 700 Grad Celsius erhitzt. Im Anschluss wird das Glas schockartig durch Anblasen mit Luft heruntergekühlt. Weil die Glasoberfläche zuerst abkühlt und sich dabei zusammenzieht, bewirkt die Härtung Druckspannung auf den Aussenschichten und Zugspannung in der Innenschicht des Behälterquerschnitts.
In der Praxis war das thermische Härten eines Container-Glasartikels bisher nicht möglich. Design und Qualität einer Flasche zeigten hier physikalische Grenzen auf, was eine rentable Produktion von gehärtetem Containerglas unmöglich machte. Die Vetropack-Gruppe hat eine Technologie entwickelt, die hier einen Ausweg bietet. Fast zehn Jahre lang hat das Innovationszentrum des Unternehmens an einem Verfahren für gehärtete Leichtglasflaschen geforscht. Das Ergebnis: Mit der Echovai-Technologie ist es nun erstmals möglich, Glasflaschen thermisch kontrolliert zu härten, was eine wirtschaftliche Produktion nun ermöglicht.
Das Echovai-Verfahren stellt besonders hohe Anforderungen sowohl an die Qualität der Flaschen als auch den Produktionsprozess und die Anlagen. «Da die Flaschen thermisch behandelt werden, um eine innere Spannung aufzubauen, können nur qualitativ hochwertige, standardisierte Flaschen erfolgreich gehärtet werden», erklärt Daniel Egger, Head of Innovation bei Vetropack. «Zudem stellen wir den gesamten Härtungsprozess sehr genau auf das individuelle Gebinde und seine Form ein. Es handelt sich also um ein ausgeklügeltes, technologisch anspruchsvolles Verfahren, das wir darum auch phasenweise ausrollen.»
30 Prozent weniger Gewicht
Die erste Phase begann 2019. Seitdem wurden mehrere Millionen der nach dem neuen Verfahren gehärteten Flaschen an den österreichischen Pilotkunden Mohrenbrauerei verkauft und wiederbefüllt. Die von Vetropack für die Vorarlberger Brauerei produzierten Flaschen haben einen deutlichen Pluspunkt: Bei den 0,33-Liter-Mehrweggebinden wird durch den Einsatz der Echovai-Lösung (210 Gramm) eine Gewichtseinsparung von rund einem Drittel gegenüber den bisherigen Standardflaschen (300 Gramm) erzielt.
«Wir schauen nicht nur auf die einzelne Flasche, sondern betrachten und optimieren Mehrweg als System», erklärt Erich Jaquemar, Sales Manager bei Vetropack in Österreich. «Das heisst: Flaschen-und Kistendesign sowie Paletten und Logistik sind aufeinander abgestimmt. Nur so lassen sich maximale Vorteile für Markeninhaber in Bezug auf Nachhaltigkeit und Gesamtbetriebskosten generieren.»
Geringere Total Cost of Ownership, CO₂-Emissionen sinken auf ein Viertel
Dementsprechend wurden die Leichtglasflaschen mit einer geringeren Höhe konzipiert – mit erheblichen Auswirkungen auf den Logistikaufwand sowie die CO₂-Bilanz. Der Lebensmittelhandel in Österreich akzeptiert Paletten mit einer Höhe von maximal 1,6 Metern. Mit Standardflaschen lassen sich damit nur fünf Kisten, mit den Echovai-Flaschen dagegen sechs Kisten stapeln.
«Dadurch sinken Kosten in der Logistik enorm», so Jaquemar. «Der Kunde spart pro Umlauf etwa ein Fünftel.» Pilotkunde Mohrenbrauerei hat inzwischen auch eine Ökobilanz vorgelegt, die die Folgen für den Logistikaufwand veranschaulicht: Dieser konnte bei den jeweiligen Biersorten um rund 1000 Tonnen CO₂ pro Jahr reduziert werden. Dadurch sanken die CO₂-Emissionen pro Flasche auf nur noch ein Viertel der herkömmlichen 0,33-Liter-Mehrwegflasche.
Alternative für Hersteller im Einweg-Segment
Mit dem innovativen Verfahren bahnt sich insofern ein Umbruch im Markt an, als es den Umstieg von Einweg- auf Mehrweggebinde in Zukunft fördern dürfte. Echovai stellt also nicht nur für Getränkehersteller eine Alternative dar, die ihre Produkte bereits in Mehrweggebinden vertreiben. Denn gerade für Hersteller aus dem Einweg-Segment spielt das Flaschengewicht eine entscheidende Rolle: Da Mehrweg-Flaschen einer höheren Belastung ausgesetzt sind, mussten diese bisher ein höheres Gewicht und damit auch ein anderes Design haben. Markeninhaber möchten die einzigartigen Merkmale ihrer Flasche in der Regel aber behalten.
Mehr Stabilität, weniger Abrieb
Ein wichtiger Aspekt ist deshalb die inzwischen nachgewiesene Stabilität der Leichtglasflaschen. Umfangreiche Tests im Labor haben die Performance (zum Beispiel Innendruckfestigkeit, Schlagfestigkeit etc.) der Echovai-Gebinde überprüft. Aus den Ergebnissen kann auf eine verlängerte Lebensdauer der Flaschen geschlossen werden. Bei der industriellen Verwendung gehen die Flaschen weitaus seltener zu Bruch: Die Ausschussquote bei Abfüllung liegt mit 0,14 Prozent deutlich unter der für Standardflaschen typischen Ausschussquote zwischen ein und zwei Prozent. Zudem zeigen die Echovai-Gebinde nach drei Jahren und bis zu zwölf Umläufen kaum Abnutzung an den Kontaktflächen (Scuffing). «Die Flasche ist robust und bietet damit auch ein Plus an Lebensmittelsicherheit», kommentiert Jaquemar.
Nach zehn bis zwölf Umläufen weisen die Flaschen Innendruckwerte auf, die der Spezifikation von Neuglas entsprechen – dies ist bei Standardflaschen nicht der Fall. Auch die Pendelschlagfestigkeit fiel höher aus als bei den schwereren, herkömmlichen Flaschen. «Aufgrund der Testergebnisse und der starken Performance im Pilotprojekt rechnen wir mit einer stark wachsenden Nachfrage,» so Jaquemar. Aktuell produziert Vetropack die stabilen Leichtglas-Gebinde noch ausschliesslich im österreichischen Pöchlarn. In der zweiten Phase eruiert das Unternehmen die Installation der Echovai-Technologie an weiteren Standorten. Für die dritte Phase plant das Unternehmen die breite Markteinführung – und wird dazu Technologien und Know-how gegebenenfalls an Dritte lizenzieren.
«Langfristig streben wir ein nutzerfreundlicheres Rückgabe- und Wiederbefüllungssystem mit einer 100-prozentigen Wiederverwendung der Flaschen an», sagt Daniel Egger. «Wir arbeiten auch bereits an einer Lösung zur optimierten Rückverfolgbarkeit der Echovai-Flaschen.» Mittels eines spezifischen Datamatrix-Codes auf jeder Flasche sollen künftig beliebige Daten mit der Produkteinheit verlinkt werden. Das macht es möglich, derzeit getrennt betrachtete Welten der Wertschöpfungskette miteinander zu verknüpfen und entlang der gesamten Lieferkette zurückzuverfolgen – von der Herstellung über die Abfüllung bis hin zum Endkunden. Echovai markiert also auch den Aufbruch in eine neue Ära der digitalen Vernetzung.