«Verpackungs-Industrie»: Herr Keller, bitte beschreiben Sie kurz, was den PAWI-Service ausmacht.
Andres Keller: Von der ersten Kundenidee bis hin zur spezifisch angepassten Logistiklösung mit Just-in-time-Lieferung umfasst unser Angebot alle Zwischenschritte. Am Anfang steht immer eine gute Beratung durch unsere geschulten Mitarbeitenden. Basierend auf Kundenspezifikationen und Wünschen werden die weiteren Schritte eingeleitet. Wir haben eine eigene Designagentur, ein grosses Lager mit einer Vielzahl bereits gefertigter Werkzeuge oder die Möglichkeit, neue zu erstellen. Dazu kommt eine grosse Auswahl an möglichen Materialien und Druckvarianten für den Food- und Non-Food-Bereich. Darüber hinaus haben wir ein Lager in Winterthur und Singen mit über 15 000 Lagerplätzen und fahren täglich effizient geplante Touren mit unseren eigenen Camions.
Wie lange dauert die Bearbeitung eines neuen Projektes mit Rundumservice?
Je spezieller eine Anfrage ist, desto mehr Vorlauf braucht es. Sagen wir, ein Schokoladenhersteller braucht ein komplettes Rebranding oder plant eine neue Produktlinie, die sich abheben soll, da dauert es dann länger. Meistens geht so ein Projekt ein Jahr vor dem Verkaufsstart los. Mindestens dauert es aber circa sechs bis acht Monate. Da kommt es natürlich stark auf die Ressourcen des Kunden an. Unsere Leitplanken sind hohe Qualität, kürzeste Lieferfristen und grosse Flexibilität dank schlanken Abläufen, Produktivität und Automation.
Finden alle Arbeitsschritte in der Schweiz statt?
Nein, wir haben neben unserem Sitz in Winterthur auch Standorte in Singen in Deutschland und ganz neu auch in Warschau in Polen. In Winterthur konzentrieren wir uns vorwiegend auf Verpackungen für die Back- und Süsswarenindustrie. In Singen produzieren wir mittels neuester Technologie Faltschachteln, vorwiegend für die Lebensmittelindustrie in mittleren bis hohen Auflagen. In Warschau befindet sich unser neuester Standort mit 80 Fachleuten. Dort produzieren wir derzeit in erster Linie hochveredelteFaltschachteln mit Laminierungen und Prägungen, speziellen Lackierungen, mehrfarbig bedruckt sowie kalt- oder heissfoliert. Der Zielmarkt ist klar Polen, aber punktuell beliefern wir zurzeit auch Kunden ausserhalb dieses Heimmarktes, z. B. Tschechien oder Griechenland. Zielsegmente sind Kosmetik, Near-Pharma und Getränke. Im Food-Bereich produzieren wir momentan nur Sekundärverpackungen, also im indirekten Kontakt. Wir streben jedoch die Hygienezertifizierung bis Mitte nächsten Jahres an, um Verpackungen mit direktem Lebensmittelkontakt anbieten zu können. Unsere Strategie ist, dass wir in Polen wachsen, neue Kunden und neue Märkte erschliessen wollen, auch in der DACH-Region, Frankreich und Benelux.
Wie viel Arbeit und Vorbereitung stecken in Ihrem aktuellen Umweltstandard?
Seit 2010 sind wir nach ISO-14001 zertifiziert worden auf Anfrage von unseren grösseren Kunden. Gleichzeitig sind die Nachhaltigkeitsbemühungen gewachsen. Wir haben auch im Förderprogramm der Energieagentur der Wirtschaft (EnAW) mitgemacht. Die haben uns bei den Umweltbemühungen sehr unterstützt, damit wir die relevanten Schritte auch einleiten: Umstellung auf LED-Beleuchtung oder ein neues Lüftungssystem, das abgestimmt ist aufs Aussenklima. Neuer ist der Anschluss an die Fernwärme der Kehrichtverbrennung Winterthur. Diese befindet sich in 300 m Entfernung von uns. Dann haben sie uns beraten bzgl. Photovoltaik- Anlage. Das Projekt ist schon gestartet und wir werden in den kommenden zwei Jahren weiter dort ausbauen.
Wie weit planen Sie in diesen Belangen voraus in die Zukunft?
Da es sich für KMU um grosse Investitionen handelt, fahren wir eine längerfristige Strategie. Wir sind CO₂-befreit worden und es ist unsere Gegenleistung gewesen, dass wir investieren. Unsere weiteren Bemühungen gehen mit den Plänen der Stadt Winterthur einher, die verabschiedet hat, dass sie bis 2040 CO₂- neutral sein will. Das bedeutet, wer dort produzieren will, aber das Ziel nicht erreicht, muss ausgleichen in Form von Zahlungen. Damit wir die Neutralität ingegebenem Zeitraum erreichen, planen und investieren wir jetzt schon.
Welchen Stellenwert hat die Nachhaltigkeit bei Verpackungen?
Wir sind Bestandteil einer Ökobilanz. Darin macht Verpackung drei Prozent des gesamten Produkts aus. An erster Stelle steht immer der Produktschutz und im Papier- und Kartonbereich ist nicht alles gleich gut dafür geeignet, um beispielsweise Food-Waste zu vermeiden. Dementsprechend sind unsere Berater und Beraterinnen auch geschult. Sie wissen, wann faserbasierte Materialien geeignet sind und wo diese an ihre Grenzen stossen. Bei uns wird also kein Aluminium- oder Kunststoff-Bashing betrieben. Im Gegenteil: Bezüglich Aluminium gibt es in gewissen Anwendungen nichts vergleichbar Gutes. Ich bin daher auch gespannt, wie sich die neue Kaffee-Papierkapsel von Nestlé beim Konsumenten bewähren wird, denn man weiss, dass Aluminium das Beste für Aromahaltung ist.
Entwickeln auch Sie neue Materialien?
Wir experimentieren schon eine Weile mit Pergaminpapier. Als Sichtfenster ist es wegen schlechter Opazität weniger geeignet als eine klare Kunststofffolie – hier kommt bei uns meistens rPET zum Einsatz. Pergamin hat aber den Vorteil einer guten Fettdichte. Wir setzen es in Verbindung mit dünnem Kartonmaterial ein und können dadurch auf Beschichtungen wie Lacke oder PE-Folie verzichten. Wir haben grosse Projekte, bei denen wir Oberflächen behandelt haben, mit Pergamin oder mit Speziallacken, um bessere Wasser- oder Fettresistenz zu erhalten. Das Schlimmste im Kartonbereich sind Verbundmaterialien. In Deutschland gilt eine Verpackung mit weniger als fünf Prozent Kunststoffanteil zwar als Monomaterial. Aber recyclingfähig ist es trotzdem nicht und der Konsument weiss im Zweifelsfall nicht, wohin mit dem Abfall. Wir versuchen, Kunststoffbeschichtungen bei Karton zu vermeiden, und da wird in Zukunft sehr viel passieren.
Wird auch die Produktion umweltfreundlicher?
Ja. Der Herstellungsprozess wird bei uns ständig optimiert. Wir reduzieren soweit möglich, wenn es sinnvoll ist, und wir modernisieren und verbessern unsere Prozesse laufend. Das Ziel ist eine Produktion, die möglichst keine negativen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt hat. Wir wollen einen Kartonbogen optimal nutzen, den Verschnitt und den Ausschuss gering halten. Ziel ist bisher, nicht mehr als 20 Prozent Ausschuss zu produzieren. Genauer gesagt geht es um Einrichteausschuss beim Anfahren der Maschinen. Dieser Einrichteausschuss ist natürlich höher, je mehr Arbeitsschritte eine Verpackung benötigt. Bei uns landen Reste konsequent und vollautomatisiert im Recyclingcontainer und gelangen wieder in den Kreislauf. In der Pandemie haben wir für unsere Restmaterialien sogar noch Geld bekommen Es hat überall an Material gefehlt, weil aus China nicht geliefert wurde. Somit hat sich das Recycling nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch gelohnt.
Setzen Sie auf neue Technologien?
Unbedingt. Wir modernisieren und digitalisieren stark. Wir haben seit neustem – und meines Wissens als Einziger in der Schweiz – eine Laserschneidemaschine für Karton. Der Vorteil ist, dass sie kein Werkzeug benötigt, die Bogenausnutzung optimiert wird und der Ausschuss wegfällt, den wir üblicherweise beim Anfahren der Maschine haben. Im besten Fall ist der erste Bogen, der aus der Maschine kommt, schon gut. Auch beim Druck haben wir modernisiert. Unser Ziel war es, die Stillstandzeiten der Druckmaschine, die durch das Wechseln der Farbe entstehen, zu minimieren. Beim erweiterten Farbraumdruck wird derselbe Farbsatz für verschieden Druckjobs verwendet, sodass kein Auswaschen der Farbe bei Jobwechseln nötig ist. Dadurch wird die Vorbereitungszeit und der Maschinen-Einrichteaufwand massiv verkürzt.
Auch unsere Logistik ist hochmodern: In unserem vollautomatisierten Hochregallager bewirtschaften wir mehrere tausend Plätze und haben gerade erst über zwei Millionen Franken in eine moderne Lagerverwaltungssoftware und das Retrofit der Logistikanlagen investiert. Weil wir die Ware der Kunden oft bei uns behalten, haben wir unsere eigene Lastwagenflotte, deren Touren mittels Software sehr effizient und wegoptimiert eingeteilt werden. Nicht alle Kunden bekommen ganze Lastwagenlieferungen. Wir können computergestützt Lieferungen mehrerer Kunden in logischer Abfolge auf einer Ladefläche zusammenbringen. Das reduziert Strecke und spart Treibstoff. Wir wollen sogar noch weiter gehen und künftig Elektrofahrzeuge einsetzen.
Sind Sie allein das Zugpferd hinter allem?
Keineswegs, ich selber bin nur ein Rädchen des Gesamten. Im Jahr 2019 haben unsere Mitarbeitenden eine Initiative gestartet und gesagt: «Wir brauchen eine Vision. Wir werden von unseren Freunden teilweise schief angeschaut, weil wir Verpackungen herstellen – also die sind es, die die Umwelt verschmutzen.» Daraus hat sich ein interessanter Prozess ergeben: In Gruppen haben wir uns intensiv damit beschäftigt und einen wundervollen Leitsatz entwickelt: «Innovativ verpacken mit Sinn und immer im Einklang mit Mensch und Natur». Ich bin sehr stolz auf meine Kolleginnen und Kollegen, weil sie das Thema, was sie tagtäglich antreibt, selber ausgesucht haben. Das war für uns ein Breaking Point: Wir müssen nicht nur Gutes machen, wir müssen auch darüber berichten.
Warum ist das wichtig?
Im Bereich Nachhaltigkeit werden viele Falschaussagen gemacht oder Greenwashing betrieben. Wir hingegen setzen im Umweltbericht auf Transparenz und versprechen nicht mehr, als wir effektiv auch machen. Wir möchten aufklären, deswegen haben wir das Büchlein «Kleine Gase, grosse Wirkung» an unsere Kunden geschickt, das in Deutschland von zwei Studenten verfasst wurde. Ich fand es sehr verständlich und trotzdem aussagekräftig. Mit diesem Wissen kann man die Zusammenhänge bei Verpackungen besser und vor allem faktenbasiert beurteilen. Wer dieses Buch haben möchte, soll sich bitte bei unserer Marketingabteilung melden. Wir stellen das sehr gerne zur Verfügung.
Knapp die Hälfte des verarbeiteten Papiers und Kartons stammt aus FSC-zertifizierten Quellen. Warum nicht alles?
FSC-Material ist teurer als das herkömmliche, das ist einer der Gründe, warum nicht alle Kunden FSC-gelabeltes Material wollen. Im ganzen Non-Food-Bereich ist FSC viel weniger gefragt als im Food- Bereich. Und auch in Deutschland ist FSC weniger vertreten als in der Schweiz. Bei uns sind Migros und Coop die grossen Treiber dahinter, weil sie das haben wollen. Heute kann man allerdings bei ein und demselben Lieferanten sowohl FSCgelabeltes als auch herkömmliches Material bekommen. Welches aber aus zwei verschiedenen Quellen stammt.
Würden Sie sagen, dass das Thema FSC schwierig geworden ist?
Der Kosten-Nutzen-Effekt hält sich in Grenzen. Vor allem seit die Kernarbeitsnormen an das Zertifikat gekoppelt sind. Damit einher ging die Erhöhung der Annual Administration Fee (AAF), dadurch ist es unverhältnismässig viel teurer geworden. Wir sind hier in der Schweiz mit guten rechtlichen Bedingungen, die regelmässig durch Ämter überprüft werden. Es ergibt für uns deswegen überhaupt keinen Sinn, in der Schweiz arbeitsrechtliche Bedingungen an das Label zu koppeln.
Ist absehbar, dass es seitens FSC Anpassungen geben wird, oder wird der Wechsel zu einem anderen Zertifikat notwendig?
Ich hoffe, dass FSC hört, wie es in der Branche rumort, und etwas zurückfährt, doch offen gesagt zweifle ich daran. Wir beobachten es weiter. – Viel anderes bleibt uns auch nicht übrig, weil es keine echte Alternative gibt, selbst mit PEFC nicht. Was wir uns aber überlegen, ist eine Zertifizierung über die gesamte Gruppe zu machen, was am Ende wieder günstiger wäre. Doch den Aufwand dafür darf man nicht unterschätzen.
Angesichts des andauernden Ukrainekrieges: Sind Sie gut für eine mögliche Energiemangellage gewappnet?
Selbstverständlich! Wir haben bereits letztes Jahr ein Kernteam gebildet, das sich der Energiefrage annimmt, und verschiedene Szenarien abgebildet, wie wir im Ernstfall verfahren können. Wir haben es schlussendlich letztes Jahr nicht gebraucht und mittlerweile hat sich die Situation etwas entschärft. Daneben sind wir einen Vertrag eingegangen, um unser Energiekontingent bis 2025/26 abzusichern. Die Energie bleibt teuer, aber wir haben vieles gemacht: Wir sind ressourceneffizienter, haben keinen Gasverbrauch und haben uns um Fernwärme und Photovoltaik gekümmert. Wir sehen der kalten Jahreszeit gelassener als auch schon entgegen.
Sind Sie auch auf die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) so gut vorbereitet?
Es ist vor allem der Inverkehrbringer, der sich damit auseinandersetzen muss. Doch wir kennen die Anforderungen und sind gemeinsam mit unseren EU-Kunden dran, diese erfüllen zu können. Dabei haben uns der Umweltbericht und die viele Vorarbeit sehr in die Hände gespielt.
Was planen Sie als Nächstes?
Wir überlegen uns, an einem KMU-Nachhaltigkeitsrating mitzumachen, das sogenannte ESG-Rating. So können wir über die kommenden Jahre in Zahlen unsere Nachhaltigkeitsbemühungen verfolgen und vergleichen. Das ist als Tool für KMU wie uns fantastisch.