Zwar seien erste positive Signale zu verzeichnen, jedoch lehnt der deutsche Verband der Wellpappen- Industrie e. V. (VDW) verpflichtende Mehrwegquoten nach wie vor als nicht zielführend ab. Ein neuer Vorstoss von ENVI gefährde ausserdem zusätzlich die Chance, Lieferketten künftig noch effizienter und umweltschonender zu gestalten. «Insgesamt bedeutet diese Position noch nicht die grundlegende Kurskorrektur, die im Interesse der Nachhaltigkeitsziele nötig wäre», erklärt der VDW-Vorsitzende Dr. Steffen P. Würth. Der Verband werte es im Rahmen des Entscheidungsprozesses zwar als Fortschritt, dass der Umweltausschuss die ab 2030 geplante Mehrwegquote für Transportverpackungen von Haushaltsgrossgeräten auf 50 Prozent absenken und die ab 2040 vorgesehenen Quoten in nicht bindende Ziele umwandeln wolle. «Grundsätzlich möchte der Umweltausschuss jedoch am Vorhaben verpflichtender Mehrwegquoten ab 2030 festhalten – und diesen Ansatz lehnen wir weiterhin als nicht zielführend ab», stellt Würth klar. Untersuchungen konkreter Verpackungsfälle hätten gezeigt, dass Mehrweglösungen sich im Vergleich zu Wellkarton keineswegs immer als die ökologischere Option durchsetzen könnten. «Deswegen bleibt die geplante Quotenregelung unserer Auffassung nach ein ungerechtfertigter Markteingriff, der sich sogar negativ auf Nachhaltigkeitsbilanzen auswirken kann», mahnt der Verbandsvorsitzende.
Neu eingebracht hat der Umweltausschuss in seinem Bericht zudem einen Punkt, den der Verband äusserst kritisch bewertet: «Die EU-Kommission wollte nach eigenem Bekunden Verpackungen minimieren und Overpackaging den Kampf ansagen», sagt Würth. Nun solle jedoch nach dem Willen des Umweltausschusses Mehrweg von der geplanten maximalen Leerraumquote in Höhe von 40 Prozent ausgenommen werden. «Mehrwegsysteme sind ohnehin auf wenige Standardformate angewiesen und somit alles andere als massgeschneidert. Wenn man ihnen nun noch über eine Ausnahmeregelung unbegrenzte Freiheiten beim Leerraum zugesteht, könnte dies fatale Auswirkungen haben. Dieser Vorschlag läuft ausserdem allen Anstrengungen entgegen, die andere Marktteilnehmende für ressourcenschonenden Materialeinsatz, optimal angepasste Verpackungen und schlanke Lieferketten unternehmen», so die Warnung des VDW. Als Erfolg hingegen bewerte es die Wellkartonindustrie, dass der Umweltausschuss sich gegen das Verbot kleinerer Wellkartonverpackungen bis 1,5 Kilogramm ausgesprochen habe, die bei Obst und Gemüse zum Einsatz kommen.
Die Hersteller von Kunststoffverpackungen warnen vor einer Aushöhlung der ökologischen Ziele durch Sonderregeln für Kunststoffverpackungen und Schlupflöcher für andere Materialien, so der deutsche Verband IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. Die Kritik richtet sich gegen Vorschläge für Sonder-Reduktionsziele für Kunststoffverpackungen, Ausnahmen für Verbundverpackungen von den verpflichtenden Rezyklateinsatz-Quoten für Kunststoff sowie Verbote von Einwegverpackungen und Mehrwegquoten, die nur für Kunststoffverpackungen gelten sollen und Ausnahmen für Verpackungen aus Wellkarton vorsehen. «Unsere Mitgliedsunternehmen sind bereits mitten in der Transformation hin zu weniger Verpackungsabfällen, besser recycelbaren Verpackungen und mehr Rezyklateinsatz. Wir sehen diese Ziele allerdings durch die vorgeschlagenen Sonderregeln für Kunststoffverpackungen massiv gefährdet», erklärt Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der IK, und fordert materialneutrale Regelungen, damit jedes Verpackungsmaterial seine Stärken zum Wohle der Umwelt, des Klimas und der Konsumenten ausspielen kann. Die IK kritisiert insbesondere, dass ein Sonder-Reduktionsziel für Kunststoffverpackungen und die Ungleichbehandlung mit anderen Verpackungsmaterialien zu einem Ausweichen auf Einwegverpackungen aus anderen Materialien führt, z. B. mit Kunststoff laminierte oder beschichtete Papierverpackungen, die in der Kritik stehen, weil der enthaltene Kunststoff nicht recycelt werden kann. Ausserdem verweist die IK auf eine aktuelle Studie der GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung, wonach eine Reduktion von Kunststoffverpackungen um 10 Prozent bis 2030 – sofern sie durch andere Materialien ersetzt werden – die Menge an Haushaltsverpackungen um etwa 10 bis 20 Prozent und die Treibhausgasemissionen um 10 bis 14 Prozent erhöht. «Grund dafür ist, dass Kunststoffverpackungen mit einem durchschnittlichen Gewicht von 24 Gramm pro Kilogramm verpacktem Produkt deutlich materialeffizienter sind als alternative Verpackungsmaterialien », erläutert Dr. Isabell Schmidt, Geschäftsführerin Kreislaufwirtschaft der IK. Angesichts des grossen Potenzials zur Einsparung von Verpackungskehricht durch innovative Mehrwegverpackungen für Take-away- Speisen und Getränke sowie durch Mehrwegtransportboxen im Gross- und Detailhandel sei es unverständlich, warum der Ausschuss die Vorgaben auf Kunststoffverpackungen begrenzen bzw. ganz streichen will. «Eine riesige Chance zur Einsparung von Einwegverpackungen bleibt ungenutzt, nur weil Mehrwegquoten Kunststoffverpackungen begünstigen könnten. Dabei bestätigen zahlreiche Studien von Umweltorganisationen, dass der blosse Ersatz von Kunststoff durch andere Einwegmaterialien nicht der richtige Weg ist, um den Verpackungsmarkt ökologisch nachhaltiger zu gestalten», erklärt Schmidt.
Im Namen der europäischen Zellstoff- und Papierindustrie fordert Cepi dazu auf, den Materialkreislauf zu regeln und keinen geschlossenen Produktkreislauf in Betracht zu ziehen: «Der vom ENVI-Ausschuss verabschiedete Text enthält die Anforderung, Verpackungen in einem geschlossenen Produktkreislauf zu recyceln, was bedeutet, dass sie in derselben oder einer ähnlichen Produktanwendung recycelt werden. Dies macht bei Papier und Karton keinen Sinn, da dort unterschiedliche Papierprodukte effizient zusammen recycelt werden. Das Recycling in der gleichen Produktanwendung würde ein unnötiges Hindernis für das Papierrecycling darstellen, ohne dass sich die Qualität dadurch verbessert. Es würde auch einen verstärkten Transport von Verpackungen zum Recycling innerhalb Europas erfordern, um die Verpackungen bestimmten Fabriken zuzuführen. Ein besserer Bezugspunkt für die Definitionen wäre die Qualität recycelter Materialien und ihr Potenzial zur Substitution von Primärrohstoffen gewesen.»
Weitgehende Zustimmung zum Entscheid des Umweltausschusses kommt hingegen von den Verbänden der Verpackungsmaterialien, die unendlich rezykliert werden können, namentlich der Association of European Producers of Steel for Packaging (APEAL), European Aluminium, der European Container Glass Federation (FEVE) und Metal Packaging Europe. Aufgrund ihrer inhärenten Eigenschaften haben Aluminium, Glas, Weissblech und Stahl das Potenzial, immer wieder recycelt zu werden und somit dauerhafte Ressourcen für geschlossene Materialkreisläufe zu sein. In einer gemeinsamen Presseerklärung schreiben die vier Verbände: «Die jetzt im PPWR eingeführten Leistungsstufen für die Recyclingfähigkeit sind ein grosser Schritt vorwärts zu einer echten EU-Kreislaufwirtschaft. Diese Qualitäten sind die ersten ihrer Art und belohnen Verpackungen, die mehrfach recycelt werden können und in einen geschlossenen Materialkreislauf eingespeist werden können», sagte Alexis Van Maercke, Generalsekretär von APEAL. «Die Einführung einer Definition für ‹hochwertiges Recycling› ist sicherlich einsehr wichtiger Schritt», sagte Sarah Cuvellier, stellvertretende CEO von Metal Packaging Europe, «wir glauben jedoch, dass der ENVI-Ausschuss ehrgeiziger hätte sein können, indem er die Fähigkeit von Materialien betont hätte, mehrere Recyclingkreisläufe ohne Veränderung ihrer wesentlichen Materialeigenschaften zu überstehen.» Eine ehrgeizige Definition von «hochwertigem Recycling» würde die Hersteller von Verpackungen dazu anregen, das Design ihrer Verpackungen für das Recycling zu verbessern und ihr effektives und effizientes Recycling weiter zu steigern.
Maarten Labberton, Director Packaging Group von European Aluminium, kommentierte: «Ein qualitativ hochwertiges Recycling von Verpackungsmaterialien hängt in hohem Masse von der Verfügbarkeit effizienter getrennter Sammelund Sortiersysteme für Verpackungsabfälle ab. Ein rechtzeitiger und ehrgeiziger Ansatz, der die getrennte Sammlung von Verpackungsabfällen in allen EU-Mitgliedstaaten fördert, ist ein Muss. Wir unterstützen voll und ganz das vom ENVIAusschuss befürwortete Ziel einer getrennten Sammlung von 90 Prozent.» Adeline Farrelly, Generalsekretärin von FEVE, fügte hinzu: «Wir freuen uns, dass der ENVI-Ausschuss Ziele zur Reduzierung von Verpackungsabfällen verabschiedet hat, um das Risiko der Substitution von vollständig zirkulären Materialien permanenten Materialien) durch schwer zu recycelnde Verpackungsmaterialien zu mindern. Aluminium, Glas und Stahl verhindern weitgehend die Entstehung von Abfällen, da sie bereits heute gesammelt, sortiert und hochwertig endlos in neue Kreisläufe recycelt werden.»
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