Wie begegnet die Schweizer Verpackungsbranche den wachsenden Herausforderungen durch Regulierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit? Im April 2025 gaben 45 Unternehmen im Rahmen der SVI-Konjunkturumfrage Einblick in ihre Strategien, ihren Qualifikationsbedarf und aktuelle Marktherausforderungen. Drei gezielte Fragen eröffneten dabei eine differenzierte Sicht auf Wissenstransfer, Transformationsprozesse und Innovationsdruck. Die Ergebnisse zeigen: Die Branche ist in Bewegung – und sucht aktiv nach Orientierung und Lösungen.
1. Fähigkeiten und Qualifikationen – was braucht der Packaging Manager der Zukunft?
Regulatorik als neue Kernkompetenz
Die Verpackungsbranche steht unter zunehmendem Druck, regulatorische Vorgaben wie die europäische Verpackungsverordnung (PPWR), die Entwaldungsverordnung (EUDR), das CSRD-Reporting und die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) umzusetzen. Gefragt sind Packaging Manager, die rechtliche, technische und strategische Expertise vereinen – ein rein technischer Hintergrund reicht zunehmend nicht mehr aus.
PPWR im Fokus der Weiterbildung
Laut Umfrage sehen 42 Prozent der Unternehmen vertiefte Kenntnisse zur PPWR als besonders relevant. Auch die CSRD (23,3 Prozent) und die EUDR (18,6 Prozent) wurden häufig genannt – ebenso wie die EPR (16,3 Prozent). Diese Zahlen machen deutlich, dass regulatorische Themen heute im Kompetenzprofil zur Grundausstattung gehören. Die Notwendigkeit, gesetzliche Anforderungen nicht nur zu kennen, sondern operativ umzusetzen, verändert auch die Erwartungen an Fach- und Führungspersonal.
Zusätzliche Anforderungen: Branchenspezifika und Kommunikation
Neben regulatorischem Wissen wünschen sich viele Befragte praxisnahe Informationen zu branchenspezifischen Vorgaben etwa im Pharma-, Healthcare- und Lebensmittelbereich, zur Schweizer LGV, zu Kennzeichnung und Anpreisung sowie zur aktuellen Marktentwicklung. Zunehmend gefragt sind zudem Fähigkeiten in der internen und externen Kommunikation: Packaging Manager müssen regulatorische Anforderungen gegenüber Einkauf, Vertrieb und Kundschaft verständlich machen können.
Fazit: Schnittstellenkompetenz ist entscheidend
Die Ergebnisse zeigen: Packaging Manager müssen künftig nicht nur die Verpackung, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette verstehen – von der Gesetzgebung über das ERP-System bis hin zur Lieferantenkommunikation. Das verlangt ein breites Kompetenzprofil – juristisch, technisch, strategisch und kommunikativ.
2. Strategien für den Wandel – wie sich die Unternehmen neu ausrichten
Unterschiedliche Ausgangslagen, gemeinsame Richtung
Die Antworten zur zweiten Frage verdeutlichen: Die Branche denkt langfristig – aber die Ausgangslage variiert stark. Während grosse, international tätige Unternehmen strategisch gut eingebettet sind, fehlt es kleineren Akteuren oft an klarer Orientierung und Ressourcen. Dennoch verfolgen viele ein gemeinsames Ziel: die nachhaltige, digital vernetzte und regulatorisch abgesicherte Verpackung.
Kreislaufwirtschaft als strategischer Fixpunkt
Kreislaufwirtschaft ist für viele der zentrale Hebel: Ein Unternehmen hat beispielsweise mit der ersten PET-Folienextrusion in der Schweiz einen wichtigen Schritt zur nationalen Materialkreislaufschliessung gemacht. Parallel wird an neuen faserbasierten Lösungen (Dry Molded Fiber) gearbeitet. Auch CO₂-Reduktionsziele, etwa gemäss der Science Based Targets initiative (SBTi), fliessen zunehmend in die strategische Planung ein.
Digitalisierung und Automatisierung als Grundlage
Viele Betriebe investieren gezielt in Automatisierung, digitale Systeme und den Wissensaufbau zu regulatorischen Themen. Ziel ist es, die Effizienz zu steigern, Prozesse nachvollziehbar zu dokumentieren und interne Abläufe an internationale Anforderungen anzupassen – etwa durch die Integration regulatorischer Daten in ERP-Systeme.
Wunsch nach klaren politischen Rahmenbedingungen
Gleichzeitig äussern viele Unternehmen Kritik an der zunehmenden Regulierungsdichte und fordern mehr politische Unterstützung durch den Verband, etwa beim Zugang zu Kunststoff-Rezyklaten oder bei der Positionierung gegenüber EU-Regularien. Die Sorge: Grosse internationale Player könnten künftig die Spielregeln diktieren – zum Nachteil kleinerer Marktteilnehmer in der Schweiz.
Fachkräftemangel als Bremsfaktor
Ein weiteres zentrales Thema ist der Fachkräftemangel. Genannt werden der Aufbau interner Talente, fachlich fundierte Weiterbildung, ERP-nahe Compliance-Lösungen und die Schulung operativer Teams in Nachhaltigkeit und Regulatorik. Mehrere Stimmen fordern gezielte Trainings für Packaging Development, Qualitätssicherung (QS/QM), IT-gestützte Nachverfolgbarkeit und Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD).
Fazit: Strategien sind vorhanden – Umsetzung erfordert Unterstützung
Die befragten Unternehmen verfolgen konkrete Pläne – deren Umsetzung hängt jedoch stark von verfügbaren Fachkräften, funktionierenden Informationsflüssen und passenden politischen Rahmenbedingungen ab. Der Wunsch nach Orientierung und Verbandssupport ist klar erkennbar.
3. Herausforderungen im Tagesgeschäft – zwischen Effizienz und Innovationsdruck
Marktmechanismen hemmen Innovationskraft
Die dritte Frage rückte die operativen Realitäten in den Fokus. Und diese sind herausfordernd: Viele Unternehmen berichten, dass die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen zwar steige – gleichzeitig aber der Preisdruck wachse. Detailhändler priorisieren häufig den günstigsten Einkaufspreis, wodurch Innovationsprojekte in der frühen Phase wirtschaftlich kaum tragfähig seien.
Globale Wettbewerbsfaktoren belasten KMU
Weitere genannte Herausforderungen sind der Wettbewerb mit asiatischen Herstellern, die Volatilität der Rohstoffpreise sowie Währungsrisiken (EUR/USD/CHF). Vor allem kleine und mittlere Unternehmen geraten durch diese Faktoren zunehmend unter Druck. Teilweise wird offen über Produktionsverlagerungen diskutiert – andere setzen auf Nischenmärkte, die höhere Margen und stabilere Kundenbeziehungen versprechen.
Materialinnovation erfordert funktionale Alternativen
Auf der Materialseite suchen viele Unternehmen nach Alternativen zu klassischen Kunststoffen – etwa biobasierte Schaumstoffe oder recycelbare Monomaterialien. Diese müssen jedoch funktional sein und in die bestehende Infrastruktur passen. Gleichzeitig fehlen klare ökologische Bewertungen, die verschiedene Materialoptionen vergleichbar machen würden.
Informationsdefizite bremsen Umsetzung
Mehrere Unternehmen beklagen eine unzureichende Informationslage zur konkreten Umsetzung von Vorgaben wie der PPWR. Besonders kleinere Firmen wünschen sich praxisorientierte Hilfsmittel, Checklisten oder Templates. Der Wunsch nach regelmässigem Austausch – etwa in Form von ERFA-Gruppen – wurde mehrfach geäussert.
Fazit: Die Rahmenbedingungen entscheiden über die Umsetzung
Innovation ist in vielen Unternehmen vorhanden – ihre Realisierung hängt jedoch stark von externen Faktoren ab: wirtschaftlicher Spielraum, regulatorische Klarheit und gezielte Wissensvermittlung sind entscheidend, damit gute Ideen auch am Markt bestehen können.
Ausblick: Branchenwissen stärken, Chancen nutzen
Die SVI-Konjunkturumfrage zeigt: Die Schweizer Verpackungsindustrie ist gefordert, aber nicht hilflos. Viele Unternehmen ergreifen bereits proaktiv Massnahmen – ob durch technologische Investitionen, Know-how-Aufbau oder Kooperationen. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, Fachwissen gezielt in die Fläche zu bringen und gleichzeitig die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Innovation sich lohnt.
Dazu braucht es mehr denn je eine aktive Rolle des Verbands, praxisnahe Weiterbildungsangebote und Plattformen für den regelmässigen Austausch. Nur wenn Wissen gebündelt, weitergegeben und strategisch angewendet wird, kann sich die Schweizer Verpackungsbranche auch künftig als innovativer, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger Akteur behaupten.
SVI als Unterstützer – was der Verband leisten kann
Das Schweizerische Verpackungsinstitut (SVI) positioniert sich zunehmend als Schlüsselinstitution im Wandel der Branche. Die Umfrage verdeutlicht, wie wichtig seine Rolle für die Mitglieder ist. Das SVI kann konkret:
❱ Regulatorik verständlich vermitteln (z. B. zu PPWR, CSRD, EPR, LGV Schweiz)
❱ Plattformen für Erfahrungsaustausch schaffen (ERFA-Gruppen, Networking-Events, Fachforen)
❱ Gezielte Weiterbildungen und Inhouse-Schulungen organisieren
❱ Anliegen der Branche in die Politik tragen – insbesondere bei Schweizer Umsetzungsfragen zu EU-Verordnungen
❱ Innovationen fördern und sichtbar machen (z. B. durch den Swiss Packaging Award)
Die Rückmeldungen aus der Umfrage legen nahe: Diese Aufgaben gewinnen weiter an Bedeutung – insbesondere für KMU.