Die exportorientierte Schweizer Aluminiumindustrie wurde in der zweiten Jahreshälfte 2023 von der konjunkturellen Abkühlung in ihren wichtigen europäischen Absatzmärkten beeinträchtigt. So sorgte unter anderem die Krise der Automobilindustrie in Deutschland und Frankreich für erhebliche Einbussen. Gesamthaft betrachtet ging die Produktion der Schweizer Walz- und Presswerke um 1,8% gegenüber dem Vorjahr zurück. Für 2024 rechnet der Branchenverband mit einer volatilen Entwicklung.
Das zurückliegende Jahr gestaltete sich für die Schweizer Aluminiumindustrie ausgesprochen anspruchsvoll. Als Hauptgründe sind Inflation und mangelnde Kaufkraft zu nennen: «Abgesehen vom florierenden Bauwesen in der Schweiz, kamen ab Sommer 2023 in Europa alle für uns wichtigen Anwendermärkte unter Druck. Diese konjunkturelle Abkühlung bekamen wir deutlich zu spüren. Aufträge wurden nicht mehr erteilt oder zurückgezogen. Als Folge mussten einige Mitgliedsfirmen Kurzarbeit anmelden», schildert Roland Hörzer, Präsident des Aluminium-Verband Schweiz (alu.ch).
Nach Anwendermärkten betrachtet sorgte 2023 in erster Linie das Bauwesen (Fenster und Fassaden aus Aluminium) für die grössten Zuwachsraten, gefolgt von Aufträgen aus der Maschinenbau- und Elektroindustrie. Die Schweizer Oberflächenveredler erfuhren im Wesentlichen positive Impulse durch die grosse Nachfrage in der Luftfahrt und im Bauwesen für anodisierte Aluminiumoberflächen zur Erhöhung der Korrosions- und der Verschleissbeständigkeit sowie zur Erfüllung höchster dekorativer Ansprüche.
Ausblick 2024 – Krise und Hochkonjunktur möglichweise nah beieinander
Aus dem Bauwesen erfährt die Schweizer Aluminiumindustrie auch im laufenden Jahr anhaltend positive Impulse. Dank vieler neuer Bauvorhaben in der Schweiz, auch aus dem öffentlichen Gemeinwesen für Schulen und Spitäler, wird 2024 mit weiteren Umsatzsteigerungen in diesem Anwendermarkt gerechnet. Da mit einem eher stabilen bis sinkenden Immobilien-Zinssatz zu rechnen sei, könne dies die Schweizer Bauwirtschaft zusätzlich befeuern. «Grundsätzlich herrscht keine Euphorie wie im Bauboom-Jahr 2022, aber eine gesunde Nachfrage zu stabilen Preisen. Auch aus dem europäischen Bausektor erwarten wir wieder Neuaufträge im laufenden Jahr», hält Verbandspräsident Hörzer fest. Eine stabil anziehende Nachfrage erfährt die Schweizer Aluminiumindustrie auch aus der Luftfahrtindustrie. Demgegenüber spüren die in der Wertschöpfungskette nachgelagerten Schweizer Oberflächenveredler vor allem den letztjährigen starken Rückgang aus der Elektro- und Maschinenbauindustrie, so dass viele Firmen zu Beginn dieses Jahres Kurzarbeit einführen mussten.
«Auch im laufenden Jahr sehen wir bei den Kunden der Press- und Walzwerke derzeit im Maschinenbau sowie in der Halbleiter- und Medizinaltechnik eine eher abwartende Haltung», schildert Verbandsgeschäftsführer Menet. Im Halbleitermarkt zeige sich aktuell zudem bei vielen europäischen Kunden eine gewisse Sorge, dass es zu wenig Kapazitäten bei ihren Zulieferern geben werde, wenn die Wirtschaft in ihren Ländern wieder merklich anziehe. Dies führe zu einer teils skurrilen Situation, wie Marcel Menet verdeutlicht: «Der Kunde vergibt weniger Aufträge, erkundigt sich aber immer wieder nach potenziellen Kapazitäten. Für uns deutet dieses Verhalten daraufhin, dass Hochkonjunktur- und Krisenintervalle in unserer Branche im laufenden Jahr noch näher beieinander liegen werden».
Eine erhöhte Planungskomplexität sei von den Mitgliedsfirmen zudem durch den anhaltenden Fachkräftemangel gefordert, ergänzt Verbandspräsident Hörzer und schildert die Anstrengungen in den Mitgliedsfirmen: «Massive Führungskräfte- und Mitarbeiterschulungen sind notwendig, denn sowohl in der Breite wie in der Tiefe sind Fach- und Führungs-Know-How erforderlich, um unsere komplexen Aluminium-Bauteile mit hochautomatisierten Prozessen stabil fertigen können.»
Erschwerend hinzu kommt die internationale Subventionspolitik. In Europa sei vor allem Deutschland gezwungen, mit den USA und China im Subventionswettbewerb gleichzuziehen, um Firmenabwanderungen zu verhindern. «Durch ihren sogenannten ‘European Green Deal’ verzerrt die Europapolitik zusätzlich die Wettbewerbsbedingungen und Preisstrukturen zu unserem Nachteil. Ein kleines Land wie die Schweiz hat nur begrenzte Möglichkeiten hier mitzuhalten», sagt Roland Hörzer, und präzisiert: «Wir setzen uns daher auch auf politischer Ebene mit unserem Verband für den Erhalt der Existenzen von rund 8000 Beschäftigten in unserer Branche ein».
Langfristige Nachfrage sicher
Ohne Zweifel sei die langfristige Nachfrage für Aluminium-Leichtbauten «made in Switzerland» gesichert. «In der Elektromobilität, bei nachhaltigen Verpackungs- und weiteren aufkommenden Clean-Tech-Lösungen genauso wie für die Nutzung erneuerbare Energien agieren unsere Mitgliedsfirmen mit ihren Entwicklungsabteilungen als wichtige Impulsgeber und sind die erste Anlaufstelle für grosse Marktplayer», hält Verbandsgeschäftsführer Menet fest. Dank seines geringen Gewichts bei gleichzeitig hoher Festigkeit und hervorragender Reyclingfähigkeit, spielt der Werkstoff Aluminium in allen Lebensbereichen bereits heute eine wichtige Rolle.