Nach der Begrüssung eröffnete Viviane Pfister von Swiss Recycle mit einem Reality-Check, der an einen internen Workshop vom Vormittag anknüpfte. Die Schweiz sei laut dem Circularity Gap Report Switzerland [1] erst zu 7 Prozent zirkulär. Laut dem Statusbericht Kreislaufwirtschaft der BFH haben 27 Prozent der Unternehmen zirkuläre Geschäftsaktivitäten verankert [2]. Zudem könnten gemäss einer ETH-Studie 22 Prozent der inländischen Emissionen durch geschlossene Kreisläufe vermieden werden [3].
Pfister betonte die systemischen Herausforderungen insbesondere bei Fraktionen ohne Produzentenverantwortungssystem (PRO): fehlendes Design for Recycling, schlechte Trennbarkeit, komplexe Verbunde, kaum Anreize für Wiederverwendung und mangelnde Transparenz. Genau hier wolle Swiss Recycle ansetzen.
Die aktuellen Themen reichen von übergeordneten Rahmenbedingungen, Innovation und Digitalisierung über saubere Kreisläufe, Kommunikation sowie Klima- und Netto-Null-Ziele bis hin zu produktspezifischen Anforderungen: die EU Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) und eine geplante Verpackungsverordnung in der Schweiz, neue EPR-Systeme für Textilien, Right to Repair und Ökodesign im Bereich Elektrogeräte sowie die Batterieverordnung, wo insbesondere Lithium- Ionen-Akkus ein Thema sind, welche wegen Fehlwürfen immer wieder Brände in Abfallströmen verursachen.
Als Ziele für die Zukunft nannte Pfister:
❱ Wissen verbreiten – Schulungen für Mitarbeitende, Bevölkerung und Schülerinnen und Schüler
❱ Wissen umsetzen – gezielte Beratung für mehr Kreislaufschliessung
❱ Wertschöpfungskette vernetzen – z. B. am Recycling- Kongress 2026 und
❱ Sensibilisieren – etwa durch Aktionen am Recycling Day.
Ein Blick nach Österreich
Im Anschluss sprach Erwin Janda von Altstoff Recycle Austria (ARA) über die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in Österreich. Grundlage seines Vortrags waren die EU-Verpackungsverordnung (PPWR, Eurolex) sowie der im Juli 2025 erschienene ARA-PPWR-Leitfaden, der neun Themenfelder definiert: Anforderungen an Stoffe in Verpackungen, recyclingfähiges Design, Rezyklatanteile, kompostierbare Verpackungen, Minimierung, Kennzeichnung, Verbote, Wiederverwendbarkeit und Meldepflichten [4, 5].
Janda zeigte, dass ab 2030 Verpackungen recyclingfähig sein müssen; ab 2035 gilt zudem das Prinzip «Recycled at Scale» (RAS). Verpackungen müssen EU-weit eine Recyclingquote von mindestens 55 Prozent erreichen, bei Holz 30 Prozent. Unter 70 Prozent Recyclingfähigkeit werden ab 2030 nicht mehr zugelassen, ab 2038 gelten 80 bis 95 Prozent als Zielmarke.
Bei den Rezyklatquoten müssen Kunststoffverpackungen ab 2030 einen Mindestanteil an Rezyklaten enthalten; die EU-Kommission wird dazu bis 2029 einen Delegiertenrechtsakt erlassen. Auch Kaffeekapseln und Teebeutel gelten künftig als Verpackungen und müssen dieselben Recyclingkriterien erfüllen.
Am Beispiel der erweiterten Triplast-Sortieranlage und des Konzepts Upcycle erläuterte Janda die österreichischen Fortschritte: Mischfraktionen können künftig effizienter getrennt werden, Metalle und Kunststoffe aus Getränkekartons werden separat verwertet, Papierfasern fliessen ins Altpapier zurück. Bis 2026 ist eine weitere Anlagenerweiterung geplant. Innovative Lösungen wie die Verwertung von Kaffeesatz zu Blumenerde illustrieren die Bemühungen, Kreisläufe zu schliessen.
USG-Revision als Grundlage
Isabel Junker vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) erläuterte die Umsetzung der Revision des Umweltschutzgesetzes (USG). Die meisten Artikel traten am 1. Januar 2025 in Kraft, ausgenommen sind u. a. die nationale Littering-Busse, das Siedlungsabfallmonopol und die Anerkennung privater Branchenorganisationen.
Aktuell laufen mehrere Verordnungspakete (VP):
❱ VP18 – Phosphorrückgewinnung: geplantes Inkrafttreten Herbst 2025.
❱ VP19 – Abfallhierarchie, biogene Abfälle, Littering- Busse, Verpackungsverordnung, Kunststoff- und Getränkekartonsammlung (Motion Dobler): Vernehmlassungsfrist bis 16. Oktober 2025, geplantes Inkrafttreten Frühling 2026 oder gemäss Erlass.
❱ VP20 – Lockerung Siedlungsabfallmonopol, Anerkennung Branchenorganisationen: Vernehmlassung 2026, geplantes Inkrafttreten Herbst 2026.
❱ VP21 – Finanzierung Entsorgung im Onlinehandel (Motion UREG-S): Vernehmlassung ab Herbst 2026.
Die nationale Littering-Busse ist mit gestaffelten Sätzen zwischen 100 und 300 Franken vorgesehen. Bei VP19 soll zudem die Grundlage für eine schweizweite Sammlung von Kunststoffverpackungen und Getränkekartons geschaffen werden.
Mit dem VP20 sollen Kriterien definiert werden für mögliche private Sammlungen ausserhalb des Siedlungsabfallmonopols sowie für die Anerkennung von Branchenorganisationen durch den Bund. Gemäss Vorschlag der Verwaltung sind Nachweise über ökologischen Mehrwert, Transparenz, Regeln für Mindestdauer und die Möglichkeit, Nichtmitglieder zur Finanzierung von Branchenlösungen zu verpflichten vorgesehen.
Als Meilenstein hob Junker das Verordnungspaket Umwelt 2026 hervor: Die Verordnung über Getränkeverpackungen wird zur Verpackungsverordnung (VerPV). Neu vorgesehen sind eine subsidiäre Rücknahmepflicht für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons, verbindliche Verwertungsquoten, eine vorgezogene Entsorgungsgebühr auch für Glasverpackungen von Lebensmitteln und Kosmetika. Weiter sind auch Anpassungen der Abfallverordnung (VVEA) vorgesehen.
Junker rief die Unternehmen dazu auf, sich aktiv an den laufenden Vernehmlassungen zu beteiligen, um praxisnahe Regelungen sicherzustellen.
Chancen und Hürden für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft
Adrian Burri, Leiter des Institute of Product Development and Production Technologies (IPP) an der ZHAW, betonte die Rolle der angewandten Forschung. Das Institut arbeitet eng mit der Industrie zusammen und fokussiert auf Circularity Design, Digitalisierung in Maschinen und Additive Manufacturing.
Im Rahmen des Innosuisse-Booster-Projekts «Applied Circular Sustainability» (2021–2024) unterstützte das IPP 50 Unternehmen auf dem Weg zu Kreislaufwirtschaft. Zwei Beispiele verdeutlichten die Praxisnähe: die Fassadenbegrünung im Veloparkhaus Dietikon sowie das Projekt Repan zum Neubeschichten alter Pfannen.
Burri leitete daraus fünf zentrale Erkenntnisse ab:
1. Legislation as enabler – Gesetze dürfen das Recycling nicht verhindern, sondern sollten dies unabhängig von der Technologie ermöglichen.
2. Proof of Circularity – eine klare Kennzeichnung der Materialien ist zentral, um Materialien sortenrein wieder in den Kreislauf zu bringen.
3. Upscaling – neue Produktionsverfahren müssen schnell vom Labor in den industriellen Massstab überführt werden können. Dazu braucht es finanziellen und infrastrukturellen Support.
4. Business Models – Unternehmen sollten sich für ein starkes Kreislauf-Business-Model entscheiden und konsequent in der Umsetzung sein.
5. Radical Ideas – mutige Konzepte brauchen ebenso konsequente Umsetzung. Die Ergebnisse sind auf boostitcircular.ch verfügbar [6].
Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft
In der Podiumsdiskussion, moderiert von Rahel Ostgen (Swiss Recycle), diskutierten Adrian Burri (ZHAW), Isabel Junker (BAFU) und Gregory Germann (Swisscleantech).
Die Diskussion kreiste um die Frage, wie verbindlich die Rahmenbedingungen sein sollten. Germann stellte klar: «Rein aus Goodwill der Unternehmen wird es nicht funktionieren. » Junker verwies auf die Bedeutung von Branchenlösungen, betonte aber ebenfalls die Notwendigkeit klarer Vorgaben.
Vergleiche mit der EU zeigten, dass deren Vorgaben ambitioniert, aber schwer umsetzbar sind. Die Schweiz verfügt zwar über funktionierende Systeme – etwa bei PET-Getränkeflaschen –, hinkt aber in Bereichen wie Textilien hinterher. Hier ist mit «Fabric Loop» eine Branchenlösung im Aufbau.
Als mögliche Anreize wurden Öko-Modulationen von Gebühren oder CO₂-Abgaben diskutiert.Burri forderte, neben Recycling auch Reparatur, Wiederverwendung und Upcycling stärker zu fördern. Einigkeit bestand darin, dass Konsumenten für neue Geschäftsmodelle gewonnen werden müssen – etwa mieten statt kaufen.
Zum Abschluss forderte Burri ein Mindset, das Materialien so lange wie möglich im Kreislauf hält. Junker hob die Bedeutung der Vernehmlassung hervor, Germann plädierte für klare Regeln, die Innovation belohnen.
Chemisches Recycling im Fokus
Tom Blocher von Buss Chemtech beleuchtete die Vielfalt chemischer Recyclingverfahren. Oft werde nur über Pyrolyse gesprochen, dabei gebe es zahlreiche weitere Ansätze wie Dissolution, Depolymerisation oder Gasifizierung. Grundlage waren u. a. der Bericht «The World of Plastics Recycling » [7] sowie aktuelle Studien [8, 9].
Blocher stellte die Verfahren vergleichend dar und zeigte, dass die Pyrolyse mit einer Kapazität von 275 kT pro Jahr derzeit die einzige industriell relevante Technologie sei. Weitere Verfahren wie Solvolyse/Hydrolyse (69 kT), Dissolution (13 kT) oder Enzymolyse (<1 kT) befinden sich erst in der Pilotphase.
Für die Schweiz präsentierte er Zahlen auf Basis von BFS-Daten: Von jährlich 175 kT Nicht- PET-Kunststoffabfällen werden 98 kT gesammelt, aber nur 11 kT recycelt – ausschliesslich mechanisch [10]. Dabei existieren nur 11 mechanische Recycler [11, 12].
Blocher nannte als Vorteile chemischer Verfahren: keine Notwendigkeit reiner Fraktionen, Entfernung von Verunreinigungen, hohe Materialqualität bis nahe Virgin-Niveau. Nachteile seien Komplexität, hohe Kosten und der bislang fehlende Nachweis langfristiger Nachhaltigkeit.
Sein Fazit: Chemisches Recycling dürfe nicht vorschnell abgeschrieben werden. Mit neuen Technologien könnten künftig auch komplexe Abfallströme hochwertig verwertet werden – als Ergänzung zum mechanischen Recycling.
Tischmesse
Die begleitende Tischmesse bot Einblicke in konkrete Projekte:
❱ Der Verband Getränkekartonrecycling Schweiz räumte mit dem Vorurteil auf, dass Getränkekartons nicht recycelbar seien.
❱ Buss Chemtech präsentierte zusätzlich zum Vortrag Möglichkeiten des chemischen Recyclings.
❱ Ecospeed stellte Softwarelösungen für die CO₂-Bilanzierung von Unternehmen und Produkten vor.
Fazit
Das Forum Kreislaufwirtschaft 2025 machte deutlich: Die Transformation bewegt sich im Spannungsfeld von Regulierung, Eigeninitiative und technologischen Möglichkeiten. Inputs aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft zeigten die Komplexität der Aufgabe – und die Chancen, die sich aus klaren Regeln, Innovation und Zusammenarbeit ergeben. Besonders relevant für die Verpackungsindustrie ist die laufende Vernehmlassung VP19, deren Frist am 16. Oktober 2025 endete. Ab Frühjahr 2026 werden die Vorschläge des Bundes dem Bundesrat vorgelegt.
Der abschliessende Apéro bot Gelegenheit für vertiefende Gespräche und Networking.
Quellen
[1] Deloitte (2023): Circularity Gap Report Switzerland.
[2] Berner Fachhochschule (BFH): Statusbericht Kreislaufwirtschaft Schweiz.
[3] Wiprächtiger, M. et al. (2023): Combining industrial ecology tools to assess potential greenhouse gas reductions of a circular economy…
Journal of Industrial Ecology, 27(1), 254–271.
[4] Eurolex: EU Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR).
[5] Altstoff Recycling Austria (ARA): PPWR-Leitfaden, Juli 2025.
[6] Burri, A. et al. (2024): Applied Circular Sustainability, boostitcircular.ch.
[7] NOVA-Institut (2024): The World of Plastics Recycling.
[8] Klotz, J. et al. (2024): The Role of Chemical and Solvent-Based Recycling within a Sustainable Circular Economy for Plastics.
In: Science of the Total Environment, Vol. 906, 1 Januar 2024.
[9] Krause, L. (2024): Mapping of Advanced Recycling Technologies and Global Capacities. NOVA-Institut, 20. November 2024.
[10] Bundesamt für Statistik (BFS): Population and Population Projections, Cantonal Projections, bfs.admin.ch.
[11] Applied Market Information Limited (AMI): Database of Mechanical Recyclers in Europe, Mai 2025.
[12] Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik und Carbotechnik (2017): Kurzbericht Kunststoffrecycling und Verwertung, 17. Juli 2017.