Am 25. September 2025 fand bei der Allpack Group in Reinach der diesjährige Healthcare Packaging Experts Summit statt, organisiert von der gleichnamigen Fachgruppe des Schweizerischen Verpackungsinstituts (SVI). Unter dem Motto «AI – Hype or Real Transformation?» beleuchteten Fachleute aus Pharma, Healthcare und Technologie den Einfluss von KI auf Forschung, Entwicklung und Produktion. Gastgeberin war die Allpack Group, ein Schweizer Anbieter von Verpackungslösungen für die Pharmaund Healthcare-Industrie.
Ein Thema, das bewegt
Die Fachgruppe Healthcare Packaging Experts vereint Vertreterinnen und Vertreter aus allen Stufen der pharmazeutischen Wertschöpfungskette, von der Forschung über die Herstellung bis zur Verpackung. Ziel ist der Wissenstransfer entlang der Lieferkette. Allpack-CEO Christoph Staub eröffnete die Veranstaltung, begrüsste die Teilnehmenden und führte mit Witz und Souveränität durch das Programm. Er erinnerte daran, dass KI längst nicht mehr nur in der Softwareentwicklung, sondern auch in regulierten Branchen wie Pharma und Healthcare Veränderungen bewirkt, mit Auswirkungen bis in die Verpackungsprozesse hinein.
Zwischen Angst und Aufbruch
Den Auftakt machte Chris West von Purple Bird Technology. Er sprach über die unterschiedlichen Haltungen gegenüber KI – zwischen Angst und Naivität. Während die einen neue Technologien meiden, vertrauen andere blind auf deren Ergebnisse. «Beides ist problematisch», sagte West. Der richtige Weg liege dazwischen: künstliche Intelligenz mit gesundem Menschenverstand zu nutzen als Werkzeug, das Prozesse beschleunigt und den Menschen unterstützt. Transparenz und Aufklärung
seien entscheidend, um Vorbehalte abzubauen.
KI ist längst Realität
Im Anschluss zeigte Guillaume Carbonneau von Novo Nordisk in seinem Vortrag «Digital Health and Data Insights – AI Products and Delivery», dass KI im Gesundheitswesen längst Realität ist. Anhand konkreter Beispiele aus der klinischen Forschung erläuterte er, wie Algorithmen helfen, geeignete Patientenpopulationen zu bestimmen, Studienstandorte zu wählen und Durchlaufzeiten zu verkürzen. «KI ist kein Mythos», so Carbonneau. «Sie wirkt bereits heute, vorausgesetzt, man weiss, was man tut, und hat einen Plan.»
Digitale Zwillinge von Zellen
Als dritte Referentin bot Constance Beyer von DeepLife einen faszinierenden Einblick in die molekulare Ebene. Das 2019 gegründete Start-up entwickelt «Digital Twins of Cells», virtuelle Zellmodelle, die biochemische Vorgänge simulieren und die Wirkstoffentwicklung beschleunigen. Ihre Präsentation zeigte, wie KI und Simulationen künftig helfen könnten, Tierversuche zu reduzieren, Forschungszeiten zu verkürzen und Nebenwirkungen besser vorherzusagen.
Damit kann DeepLife etwas realisieren, das frühere Grossprojekte wie das europäische Silicon- Cell-Projekt der frühen 2000er-Jahre nicht schafften. Damals versuchten Forschende, eine komplette Zelle digital nachzubilden. Ein ambitioniertes Vorhaben, das an der Komplexität biologischer Systeme und der begrenzten Rechenleistung scheiterte. Heute ermöglicht die Kombination aus KI, Simulation und Big Data virtuelle Zellmodelle, die überprüfbare Vorhersagen liefern und neue Forschungswege eröffnen.
Wenn Maschinen mitschreiben
Darauf folgte Nino Mandela Bachmann von Arcondis, der die Chancen von KI im Bereich Commissioning, Qualification and Validation (CQV) beleuchtete. Anhand praktischer Beispiele zeigte er, wie KI repetitive, schreibintensive Aufgaben beschleunigen und die Qualitätssicherung unterstützen kann. Er warnte jedoch davor, Verantwortung an Maschinen allein abzugeben: «Ein Human in the Loop bleibt unverzichtbar.» Christoph Staub griff das humorvoll auf: «Good to know who is the master and who is the slave.»
Virtuelle Zwillinge und Wissensnetzwerke
Der fünfte Vortrag kam von Christian Haltiner, Managing Director Switzerland bei Dassault Systèmes. Unter dem Titel «Revolutionizing Healthcare thanks to the Power of Virtual Twins and AI» stellte er die Verbindung zwischen realen und virtuellen Welten ins Zentrum.
Das Unternehmen begann 1981 als Tech-Startup mit 3D-Modellen und ist heute ein internationaler Anbieter hochkomplexer Systeme für zahlreiche Branchen. Kernkompetenz: virtuelle Zwillinge – digitale Abbilder von Geräten, Prozessen oder ganzen Produktionsumgebungen. Regulatorische Compliance, wie sie für Life Science wichtig ist, wird zunehmend Teil des Portfolios. Ziel sei, so Haltiner, nicht mehr nur Dokumente zu verwalten, sondern Wissen zu vernetzen – etwa durch «Knowledge Hubs», die regulatorische Anforderungen und Forschungsergebnisse intelligent zusammenführen und Freigabeprozesse beschleunigen.
Digitale Reife als Voraussetzung
Den Abschluss der Vorträge bildete Marco Colucci von Detecon Switzerland. Sein Referat «AI starts with Digital Maturity – Success Factors from Practice and What Top Performers Do Differently» zeigte, dass erfolgreiche KI-Anwendungen eine solide digitale Basis erfordern.
Er belegte anhand von Praxisbeispielen und WEF-Lighthouse-Projekten, dass Unternehmen mit hoher digitaler Reife erfolgreicher in der Nutzung von KI sind. Entscheidend sei, dass Daten, Prozesse und Führung auf Innovation ausgerichtet seien.
Diskussion mit Tiefgang und Humor
Die anschliessende Paneldiskussion bildete den Höhepunkt des Nachmittags. Unter Leitung von Christoph Staub diskutierten die Referentinnen und Referenten engagiert über Chancen, Risiken und Verantwortlichkeiten beim KI-Einsatz.
Ein wiederkehrendes Thema war die Frage, wie Europa im internationalen Vergleich positioniert ist. Während Asien und die USA mit massiver staatlicher Unterstützung auf Geschwindigkeit setzen, verlässt sich Europa auf Regulierung und ethische Leitplanken. «In China wird KI strategisch vorangetrieben, in Europa dagegen reguliert», fasste ein Panelist pointiert zusammen. Gleichzeitig wurde klar, dass Regulierung nicht nur bremst, sondern Vertrauen schafft – ein entscheidender Faktor gerade in der Medizin.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Frage nach Datenqualität und Transparenz. KI könne nur so gut sein wie die Daten, mit denen sie trainiert wird – ein Punkt, der besonders für medizinische Anwendungen von zentraler Bedeutung ist. «Falsche
Informationen in sozialen Netzwerken sind lästig – in der Pharmaforschung wären sie fatal», betonte einer der Diskutanten.
Auch der Gender Health Gap wurde angesprochen: Historisch männlich geprägte Datensätze führen bis heute zu Verzerrungen in Forschung und Diagnostik. KI könne helfen, diese Ungleichheiten zu verringern – vorausgesetzt, sie wird verantwortungsvoll trainiert. Ebenso wurde die Notwendigkeit kritischen Denkens im Zeitalter der KI hervorgehoben.
Neben inhaltlicher Tiefe sorgten auch humorvolle Momente für Leichtigkeit. Christoph Staub verstand es, ernste Themen mit Charme zu moderieren und den Dialog zwischen Fachrichtungen zu fördern. «In einer Welt voller künstlicher Intelligenz brauchen wir mehr natürliche Intelligenz denn je», fasste Staub zusammen.
Inspiration, Austausch und ein Basler Abschluss
Nach dem offiziellen Teil lud die Allpack Group zum Apéro. In entspannter Atmosphäre bot sich Gelegenheit, mit den Referentinnen und Referenten ins Gespräch zu kommen und neue Kontakte zu knüpfen.
Für Begeisterung sorgte die KI-gesteuerte Verlosung eines kleinen Preises, die nach einem kurzen technischen Warm-up reibungslos funktionierte und erfolgreich zum Abschluss gebrachtwurde.
Zum Abschied durften sich alle Teilnehmenden über eine süsse Aufmerksamkeit freuen: feine Basler Leckerli als Dankeschön für ihre Teilnahme.
Mit rund 50 engagierten Teilnehmenden bot der Anlass eine äusserst wertvolle Plattform für Austausch und Inspiration. Das grosse Interesse und die lebhaften Diskussionen haben eindrucksvoll gezeigt: KI bewegt die Branche. Für Verpackungsunternehmen lohnt sich der Blick über den Tellerrand – wer versteht, welche Entwicklungen die Pharma- und Healthcare-Branche prägen, kann Innovationen gezielter mitgestalten und sich langfristig als kompetenter Partner positionieren.